Anne als „Meta, die Mythenerzählerin“
Am Dienstag, den 24. August verstarb Annemarie Paysen-Petersen. Sie wurde 1935 in Dresden geboren und studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Nach Beteiligung an einer regimekritischen Demonstration musste sie in die Kunsterziehung wechseln. Gerne berichtete sie mit einem Schmunzeln davon, dass sie während der damals vorgeschriebenen politischen Vorlesungen heimlich unter dem Tisch Bücher zum Thema Mythologie las. Nach dem Abschluss unterrichtete sie noch ein Jahr in der DDR, floh jedoch 1958 mit Ihrer Familie in den Westen, holte die Referendariatszeit nach und arbeitete bis 1997 als Gymnasiallehrerin an der Lornsenschule in Schleswig.
Als wir sie vor etwa neun Jahren kennenlernen durften, hatte sie die Jahre Ihrer Pensionierung bereits für ausgiebige Reisen zu vielen interessanten Stätten der Vorgeschichte und der Wikingerzeit genutzt. So schwärmte sie vom Besuch der rekonstruierten Kreisgrabenanlagen in Goseck und konnte von Aufenthalten auf Island, „L’Anse aux Meadows“ in Kanada, dem russischen St. Petersburg und auch von nahezu sämtlichen Wikingermuseen Skandinaviens berichten. Dieses umfangreiche Wissen nutzte sie sowohl bei Ihrer langjährigen Tätigkeit als Moderatorin des Wikingermuseums Haithabu als auch bei Ihren Auftritten als „Geschichten- und Sagenerzählerin Meta“.
Anne bereicherte unsere Aktivitäten nicht nur durch ihre Geschichten, sondern auch durch ihre Gemälde, welche wir in unserem Geschäft ausstellten.
Die „Hainbuche bei Haithabu“
„Wolfszeit“
Als Künstlerin war sie lange aktiv im Kunstverein Schleswig tätig und lud in Zusammenarbeit mit diesem noch vor drei Jahren zu Ihrer eigenen Vernissage mit dem Titel „Dunkle Mächte“ ein. Hier wurden ausschließlich Bilder von Ihr gezeigt, sie beteiligte sich aber gerne auch mehrfach an Gemeinschaftsausstellungen. Anne hatte dabei jedoch manchmal einen eigenen und auf ihr mythologisches Interesse ausgerichteten Ansatz, wie z. B. an einer Ausstellung zur Eröffnung des neuen Klinikums in Schleswig 2016 zum Thema „Familie“. Anne empfand die thematische Aufgabe zunächst als „stinklangweilig“, wollte aber trotzdem teilnehmen und erklärte mit schelmischem Grinsen: „Ich hab da schon eine Idee!“ Und diese hatte sie tatsächlich, denn Ihren Blick auf das Thema Familie hielt sie in einem Gemälde fest, das (für Kenner recht eindeutig) den riesischen Gott Loki, lässig im Schoß seiner barbusigen Riesenfrau Angrboda lehnend, mit seinen drei Kindern, nämlich der noch kleinen Midgardschlange, einem knuddeligen Fenriswölfchen und der jungen Totengöttin Hel zeigte.
Ebenfalls 2016 war Anne als Dozentin für die Volkshochschule Schleswig tätig. An vier Abenden erzählte sie dort vergleichend über die „Götter und Heroen der Griechen und Germanen“, also über „Siegfried und Achilles“, „Wieland und Hephaistos“, „Loki und Prometheus“, sowie über „Gudrun und Medea“ – immer nahezu komplett auswendig!
Anne wurde im Kreis ihrer Familie in Schleswig beerdigt und in der Traueranzeige ist zu lesen: „Niemand sieht den Abend, wenn die Norne sprach“. Mit Ihren über 80 Jahren erwähnte sie wiederholt, dass sie ihr Ende noch lange nicht erwarten würde. In der letzten Zeit ist es ihr jedoch leider nicht mehr möglich gewesen, ihr Leben wie gewohnt oder geplant zu führen. So, wie wir sie kennen lernen durften, wird sie nun wohl als Skaldin Odins Tafel bereichern.
Danke, dass wir Dich kennenlernen durften!